Self-Checkout im Supermarkt: Brückentechnologie oder dauerhafte Veränderung?
Auf dem Weg in die Zukunft des Einzelhandels: In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Zahl der Selbstbedienungskassen und Self-Scanning-Systeme in deutschen Geschäften mehr als verdoppelt. Welche Rolle spielt Payment und wie sieht der Supermarkt der Zukunft überhaupt aus? Ein Überblick mit Ausblich.
Payment und Self-Checkout Kassen
Wenn die Schlangen an den Supermarktkassen zu lang sind, hat man eigentlich nur die Qual der Wahl und muss sich für die vermeintlich schnellste entscheiden. Ob man wirklich an der richtigen Stelle steht, entscheidet sich wahrscheinlich nach Murphy's Law. Es besagt, dass alles, was schief gehen kann, auch schief gehen wird. In diesem Fall die langsamste Schlange zu erwischen. Abhilfe versprechen Selbstbedienungskassen.
Im Fachjargon spricht man von Self-Checkout (kurz SCO): Kassen, an denen man seine Waren selbst einscannt und dann bezahlt. Man kennt sie von Ikea, vielen Baumärkten, der Drogeriekette dm oder aus dem Lebensmitteleinzelhandel. Bei Rewe zum Beispiel gibt es solche Kassen derzeit deutschlandweit in rund einem Viertel aller Märkte. Eng verwandt mit dem Self-Checkout ist das Self-Scanning, bei dem der Kunde die Ware schon beim Gang durch den Markt selbst scannt, entweder mit dem eigenen Handy oder mit einem mobilen Scanner des Supermarktes; bei Edeka gibt es das zum Beispiel.
Die aktuelle Markterhebung 2023 zum Thema Self-Checkout des EHI Retail Institute zeigt jedenfalls einen klaren Trend: Die Zahl der Anbieter mit Self-Checkout oder Self-Scanning steigt. Im Jahr 2023 gab es 5.010 Geschäfte, die eines von beiden oder beides anboten - 2021 waren es erst 2.302, also mehr als eine Verdopplung. Der technische Fortschritt und nicht zuletzt die Corona-Pandemie mit ihren Hygienevorschriften dürften die Entwicklung in den letzten Jahren beschleunigt haben.
Was Self-Checkout und Payment verbindet - und was nicht
Self-Scanning-Systeme funktionieren schon heute bargeldlos. Beim Self-Checkout hingegen ist die Barzahlung laut EHI-Umfrage noch in rund 35 Prozent der Geschäfte möglich. Allerdings sind die Barzahlungsmodule im Self-Checkout etwas fehleranfälliger und die Geräte wartungsintensiver als Zahlungsterminals für die Kartenzahlung. Deshalb seien sie für den Handel teurer, heißt es in der Studie. Klingt jedenfalls nach einem klaren Anreiz für Händler, verstärkt auf bargeldloses Bezahlen zu setzen. Und tatsächlich geht der Trend dahin, bei Neuinstallationen ganz auf Barzahlungsmodule zu verzichten, so die EHI-Prognose. Zumal die Bargeldnutzung in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Insofern entspricht die Entwicklung am Self-Checkout nur dem Zahlungsverhalten der Deutschen.
Ohnehin hat der Self-Checkout mit dem Payment etwas gemeinsam: Beide sollen das Einkaufserlebnis für Kund:innen einfacher und bequemer machen - und für Händler und Einkäufer:innen günstiger. Beim Bezahlen gelingt dies bereits in der Regel: Sowohl Bar- als auch Kartenzahlungen werden flächendeckend akzeptiert. Je nachdem, welches Zahlungsmittel man bevorzugt, findet man natürlich Studien, die die Vorteile des bevorzugten Systems auflisten. Von besonderer Bedeutung für den Handel ist die Kostenstruktur der beiden Zahlungssysteme.
Im Alltag der Einkäufer:innen haben die Kosten aber wenig Relevanz, weil der Händler sowohl die Kartengebühren als auch die Ver- und Entsorgungskosten für Bargeld trägt. Auch die Frage, ob Bargeld- oder Kartenzahlung schneller ist, spielt keine große Rolle, da die Unterschiede nicht so groß sind. Am längsten dauert ohnehin das Anstehen und Scannen der Waren. Beim Self-Checkout unterscheiden sich Theorie und Praxis allerdings noch oft.
Eine fundamental andere User Experience
Als Payment-Afficionados und Self-Checkout-Nutzer teilen wir die Prognose des EHI, dass Self Checkout und Self-Scanning weiter wachsen werden. Es ist kostengünstiger und effizienter für die Märkte und gerade in Zeiten des Fachkräftemangels eine sinnvolle Alternative. Gute Gründe, mehr solcher Lösungen aufzubauen. Und wir können uns auch vorstellen, dass - wie das EHI sagt – die Akzeptanz der Systeme steigt. Unsere subjektive Wahrnehmung sagt aber auch: Es gibt zwar immer mehr Self-Checkout-Angebote - genutzt werden die Terminals deshalb aber noch lange nicht, wie wir immer wieder beobachten. Wenn allerdings die „normalen“ Warteschlangen sehr lang sind, kommt es auch beim Self-Checkout gerne mal zu Staus.
Die Gründe dafür sind vielfältig:
- Technologische Unsicherheit: Einkäufer:innen fühlen sich bei der Nutzung von Self-Checkout-Geräten unsicher.
- Fehlendes Vertrauen in die Technologie: Einkäufer:innen haben Bedenken hinsichtlich Genauigkeit und Zuverlässigkeit und befürchten, dass Fehler auftreten könnten.
- Persönlicher Kundenservice: Einkäufer:innen schätzen den persönlichen Kontakt zu Kassier:innen.
- Datenschutzbedenken: Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und persönlicher Informationen.
- Unsicherheit bezüglich Altersbeschränkungen: Bei bestimmten Produkten wie Alkohol oder Tabak sind sich Einkäufer:innen unsicher, wie die Altersverifikation beim Self-Checkout funktioniert.
- Barrierefreiheit: Manche Menschen, insbesondere ältere oder behinderte Menschen, haben Schwierigkeiten, die Geräte zu bedienen.
- Furcht vor Arbeitsplatzverlust: Self Checkout ruft Bedenken hinsichtlich des Arbeitsplatzverlustes von Kassierer:innen hervor.
- Technische Probleme: Die Angst vor technischen Problemen schreckt Einkäufer:innen ab.
- Unsicherheit bezüglich Rabatten und Sonderangeboten: Kund:innen sind unsicher darüber, wie sie Gutscheine oder Sonderangebote korrekt nutzen können.
- Präferenz für traditionellen Einkauf: Einkäufer:innen mögen den traditionellen Weg des Einkaufens, den Interaktionsaspekt und von einer Kassier:in bedient zu werden.
Die Gründe für oder gegen die Nutzung von Self-Checkout sind vielfältig. Und immer situationsabhängig. Caro, eine von zwei Autor:innen dieses Beitrags, nutzt Self Checkout zum Beispiel sehr gerne, um die Interaktion mit der Kassierer:in an der Kasse zu umgehen. Clas, der zweite Autor:in dieses Beitrags, empfindet es als Zumutung, wenn er am Self Checkout-Terminal vom Ladenpersonal überwacht wird. Er nutzt Self Checkout nur, wenn kein Personal in der Nähe ist.
Convenience vs. Kontrolle
Eine Kontrolle ist jedoch für die Einzelhändler notwendig, die beim Self-Checkout ständig zwischen dem finanziellen Risiko eines möglichen Diebstahls und der möglichen Kostenersparnis durch weniger Personal abwägen müssen. Sie begegnen dem Risiko auf unterschiedliche Weise: natürlich mit Waagen für lose Lebensmittel und andere Waren, mit Kameras, hier und da steht auch ein Mitarbeiter des Marktes und passt auf. Manchmal haben Self-Checkout Nutzer:innen sogar einen eigenen Bereich mit Schranke, wo sie ihren Kassenzettel noch scannen müssen. Vereinzelt wird auch berichtet, dass Self-Checkout-Kunden vom Personal kontrolliert werden.
Wer sich für die Bequemlichkeit des Self Checkouts entscheidet, nimmt diese Kontrolle in Kauf. Man übernimmt also nicht nur den Job der Kassierer:innen, sondern trägt plötzlich auch die Verantwortung für etwaige Fehler. Das muss man wollen - und es ist absolut verständlich und nachvollziehbar, wenn jemand das nicht will. Vor allem, wenn man sonst schon viel Verantwortung in seinem Leben übernehmen muss, in der Familie oder im Beruf.
Und die Verantwortung beim Self-Checkout ist groß. Nicht ohne Grund werden Kassierer:innen für ihren Job bezahlt. Wer ein Produkt doppelt scannt, ohne es zu merken, schadet sich selbst. Wer ein Produkt nicht scannt, schadet dem Händler. Aber wie wird der reagieren? Die Angst, vom Kaufhausdetektiv abgeführt zu werden und sich vor der Polizei rechtfertigen zu müssen, sitzt bei vielen Menschen tief. Schließlich sind wir alle so erzogen worden, dass sich Diebstahl nicht gehört.
Verantwortung bedeutet auch, für Fehler einzustehen. Beim Self-Checkout muss das nicht so schlimm sein: Wie buche ich ein Produkt aus, das ich versehentlich doppelt gescannt habe? Damit verbunden ist die Sorge, Probleme nicht selbst lösen zu können. Für die einen ist es unangenehm, um Hilfe bitten zu müssen, für die anderen ist es selbstverständlich. Gerade wenn die Schlange auch am Self-Checkout lang ist, erhöht sich der psychische Stress noch einmal. Selber dafür verantwortlich zu sein, dass es nicht schneller voran geht, ist eben etwas anderes, als wenn es die Kassier:in ist.
Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass viele Menschen am Bargeld festhalten. Sorgen, dass bei der Kartenzahlung etwas nicht klappt und man den Unmut der Leute in der Schlange hinter sich auf sich zieht. Noch eine Parallele zum Payment.
Ist Self-Checkout die Zukunft?
So unangenehm und ambivalent der Self-Checkout auch heute noch manchmal sein mag: Wenn die Alternative – die von einem Menschen besetzte Kasse – nur durch langes Anstehen zu erreichen ist, ist die Self-Checkout-Lösung willkommen. Also akzeptieren wir auch heute schon die Extraportion Verantwortung und das Risiko, etwas falsch zu machen.
Mit Spannung erwarten wir die nächste Evolutionsstufe: den autonomen Einzelhandel. Solche Läden gibt es bereits, meist als Pilotprojekte. Sie arbeiten fast ohne Personal, die Kund:innen scannen ihre Waren selbst mit dem Handy und verlassen dann einfach den Laden; in der fortgeschrittensten Variante müssen die Kund:innen gar nicht mehr scannen, sondern ihre Einkäufe werden automatisch von Kameras erfasst. Ein Kassiervorgang entfällt komplett, die Bezahlung erfolgt automatisch beim Passieren der Schranke auf dem Weg nach draußen. Die Kontrolle entfällt, weil die Technologie von vornherein die Verantwortung übernommen hat.
Ist Self-Checkout also nur eine Brückentechnologie?
Wird sie wieder verschwinden, sobald sich der autonome Handel flächendeckend durchgesetzt hat?
Nachdem wir uns für diesen Beitrag intensiv mit dem Thema Self Checkout auseinandergesetzt haben, ist unsere größte Erkenntnis, wie viele Hürden und Vorbehalte es tatsächlich gegenüber Self Checkout gibt. Einige Gründe können wir besser nachvollziehen als andere. Aber das ist nicht der Punkt. Viel wichtiger ist die Frage, wie die Menschen einkaufen und bezahlen wollen. Und da gibt es eben unterschiedliche Präferenzen für Self Checkout und für konventionelle Kassen. Wenn dann noch Systeme für autonome Supermärkte hinzukommen, gibt es eben eine weitere Option.
Verbraucher:innen werden nicht immer die Auswahl zwischen allen drei Methoden haben, aber sie werden ihre Präferenzen haben. Daher wird es wahrscheinlich eine Koexistenz von traditionellen Kassen, Self-Checkout und autonomen Geschäften geben. Vielleicht sogar alles im selben Geschäft. Warum nicht, technisch ist das möglich.
Die Zukunft des Einzelhandels wird voraussichtlich eine Mischung aus traditionellen Kassen, Self-Checkout und autonomen Geschäften sein, um den individuellen Vorlieben der Verbraucher gerecht zu werden. Alle Akteure im Bereich Payment sollten dazu beitragen, diese Vielfalt zu unterstützen.
Autor:innen
Caro Beese
Journalistin & Content Creatorin, Schwerpunkt Female Finance & Digital Banking
✉ caro@fintechweek.de
☎ 0171 - 28 18 585
🚀 Jetzt auf linkedIn vernetzen.
Clas Beese
Fintech-Journalist, Content Creator, Gründer & Geschäftsführer finletter & Fintech Week
✉ clas@fintechweek.de
☎ 0174 - 32 96 206
🚀 Jetzt auf linkedIn vernetzen.